Dem Montag sagt man besondere Kräfte nach. Eine magische Macht wohnt ihm inne. Montagsautos kennen wir alle. Das reicht Ihnen nicht als Beweis? Gut: Dann befragen Sie eine Esoterikerin zur Magie des Montags. Dazu suchen Sie allerdings besser einen Sitzplatz, um deren lange Geschichte voller Mythen überhaupt durchzustehen. Ohropax tut es auch. Wenn Sie es immer noch nicht glauben, dann lesen Sie diese Kolumne zu Ende. Sie werden erkennen, dass der Montag tatsächlich eine Macht hat, die unerklärlich erscheint.
Jüngst überlegten wir, den Sonntag zum zusätzlichen Spieltag zu ernennen. Die Aussicht darauf, an sonnigen Frühlingstagen bereits ab Mittag Kugeln ausgeruht, entspannt und ohne Alltagsgedöns werfen zu können, war verlockend. Ein spontaner Test hatte gute Resonanz gefunden. Der Plan, so ein wöchentliches Sonntagstreffen vielleicht sogar mit ein paar mediterranen Genüssen kulinarischer Art zu einem kleinen Festival weiterer Sinne aufzuwerten, wurde geschmiedet und kurzerhand beschlossen.
Als Folge standen weitere Entscheidungen an: Wir kamen überein, dass es keine gute Idee war, unseren bisherigen, angestammten Montagstermin beizubehalten. Der Grund dafür war einfach: Gleich nach einem sonntäglichen Fest der Biberons1 und Carreaux, einem Stück Fougasse2 mit Oliven, der leckeren Ecke einer selbstgebackenen Quiche, dazu sortenreinem Apfelsaft und vielleicht sogar einem gewagten Schlückchen Rosé aus dem Lubéron3, da konnte der Montag nur verlieren. Kurzerhand wurde er also abgeschafft, der Montag. Als Spieltag. An seiner Stelle wurde der Mittwoch als regelmäßiger Termin bestimmt.
Der erste Sonntag kam näher. Wind und Regen waren angesagt – und so kam es auch. Die BoulistInnen verkrochen sich unter Decken auf ihren Sofas und schalteten die Fernseher an. Beim Betrachten der Fernsehbilder von in Kunstdarmpellen geschossenen Rennrodlern fragten sie sich, warum eine Sportart in epischer Länge im Fernsehen übertragen wird, bei der man entweder die Unterschiede der Zwischenzeiten im Bereich von hundertstel Sekunden in winzigen Ziffern vom Bildschirm abliest und sofort wieder vergisst oder – ohne Interesse an Zahlen – lediglich auf umkippende Schlitten wartet, so dass die lebenden Würste nun eben auf den eng sitzenden Pellen ins Ziel rutschen.
Wäre da nicht eine hochklassige Partie Pétanque mit Phillippe Quintais und Dylan Rocher gegen Alessio Coccioli und Diego Rizzi weitaus unterhaltsamer?
Die Tristesse des boulefreien Sonntags war groß. Heftige Entzugserscheinungen machten sich bereits beim Aufwachen am Montagmorgen bemerkbar. Ein Blick auf die Wettervorhersage des Deutschen Wetterdienstes verhieß erneut nichts Gutes: Der nächste Spieltag, also der Mittwoch, war mit so riesigen dunkelblauen Balken – die stehen für schwere Niederschläge – geschmückt, dass Noah den Bau einer zweiten Arche geplant und zwei Doubletten an Bord genommen hätte.
Aber was war das? In der Wetter-App blitzte tatsächlich ein Sonnensymbol auf! Am Montag! Just in „unserem“ bisherigen Nachmittagszeitfenster bot der Montag uns eine Spielmöglichkeit an. Es fehlte nur noch, dass statt des Sonnensymbols eine Boule vom Himmel strahlte.
Bisher hatte ich diesen Esoterikkram immer belächelt. Vielleicht sollte ich das überdenken.
- Biberon: Eine Kugel wurde so an die Zielkugel gespielt, dass sich beide berühren. ↩
- Fougasse: Das ist ein provençalisches Hefebrot mit viel Olivenöl und Kräutern der Provençe, das es in diversen Variationen gibt. ↩
- Lubéron: Diese Gebirgskette mit wunderbaren kleinen Orten, die alle noch wunderbarere Bouleplätze haben, liegt zirka 70 km nördlich von Marseille. ↩