Festtagswünsche!
Seit September – oder war es gar August – liegt in den Supermärkten Weihnachtsgebäck aller Art aus. Hätten wir uns nicht bereits damals lebkuchenmümmelnd ein „frohes Fest“ wünschen können? Dann wäre das schon vor Monaten elegant abgehakt gewesen. Hamwer aber nicht – und so hört man den ganzen Dezember Festtagswünsche auf unserem Boulodrome. Und schon vorher.
„Schöne Feiertage“, rief Karl in die Runde, als er sich Ende November nach einigen Spielen verabschiedete. Die verwunderten Blicke kommentierte er kurz angebunden wie immer: „Kreuzfahrt bis Anfang Januar. Shuffleboard statt Boule. Dann bis nächstes Jahr. Frohe Weihnachten!“ Ja, es ging früh los dieses Jahr.
Drei Tage später meinte Gudrun, uns bereits aufs neue Jahr vorzubereiten zu müssen. „Bei diesem Wetter macht das einfach keinen Spaß. Ich komme erst im Frühjahr wieder“, erklärte sie, und fügte ein „Guten Rutsch!“ hinzu, während sie erkennbar unter dem viel zu dünnen, aber recht schicken Jäckchen bibberte.
Kurzentschlossen legte Guido nach: „Ich besuche meine Onkel in Palermo“, weihte er uns mit leicht italienischem Akzent in seine Dezemberpläne ein und schwärmte. „Weihnachten auf Sicilia, perfetto!“
„Nimmst Du die Boules mit?“, fragte Mika. „Natürlich nicht! Da gibt’s nur diese popoglatten Bocciaplätze. Boccia ist ein Kullerspiel! Wirfst du da ein Hochportée, dann erlebst du das Weihnachtsfest in Betonschuhen auf dem Grund des Mittelmeers“, erwiderte Guido und versuchte dabei, möglichst ernst auszusehen. „Naa, Spässle! Ich brauche dringend eine Pause vom Spiel.“
Eine Woche später war es bei Elke und Bernd soweit. Das Ehepaar gab seine Pläne bekannt, ein paar Tage Wintercamping im Schwarzwald zu machen. „Verbringt schöne Feiertage“, so verabschiedeten sie sich und stiegen in ihr uraltes Wohnmobil.
Dann war Weihnachten nur noch zwei Tage entfernt. Es hatte vorher viel geregnet. Die Boules lagen nun schon einige Zeit muggelig trocken in ihren Taschen, Körben oder Kisten. Heute aber schaute die Sonne vorwitzig von Süden den Vogelsberg hinauf. Dabei entdeckte sie auch unser Boulodrome. Es war seit langem mal wieder ein heller Tag. Der Platz lag wunderbar vor uns, frisch geharkt und noch leicht dampfend. Hubert, Mika und ich rechneten allerdings kaum damit, dass so kurz vor Weihnachten überhaupt zwei Doubletten zusammen kommen würden.
Plötzlich kam Karl um die Ecke. „Nanu, ist das Schiff gesunken?“, fragte Hubert. „Corona an Bord. Ging nur bis Oslo“, erwiderte der verhinderte Kreuzfahrer. „War all die Tage seekrank. Geht aber wieder.“
Nach einem Blick in unsere kleine Runde fügte er hinzu: „Passt ja genau! Lasst uns spielen. Shuffleboard ist echt langweilig.“
Also wurden die Kugeln ausgepackt. Dann verblüffte Blicke. Alle sahen zum Auto, das gerade angekommen war. Guido stieg aus. „Nix Italia?“, fragte eine Stimme aus dem Gebüsch. Bernd? Tatsächlich Bernd! „Nix Schwarzwald?“, echote Mika. Neben dem wunderbaren Sonnenschein lag auch spürbare Verwirrung über dem Platz. „Wo kommt ihr denn her, Elke?“, wollte Hubert von der Frau wissen, die da gerade hinter Bernd den Abhang hinunterkletterte.
Es stellte sich heraus, dass der Camper von Elke und Bernd einen Achsschaden hatte. So waren die beiden nicht mal über Hain-Gründau hinausgekommen. Notgedrungen konnten sie nun also nicht mehr zum Boulodrome fahren – und ihr fußläufiges Auftauchen aus einer ungewohnten Richtung hatte wirklich niemand erwartet.
Guido dagegen war immerhin schon fast richtig unterwegs nach Süden, als er um Karlsruhe herum einen Anruf von Julia bekommen hatte, die ihn zum Abendessen einladen wollte. Kurzentschlossen kehrte Guido um, wie er uns mit verzückt verdrehten Augen erklärte. „Julia! Finalemente!“, seufzte er entrückt.
„Fehlt nur noch Gudrun“, sagte Hubert, der gegen die Sonne blinzelte. Wer war die Person, die mit dicker Jacke, einem ellenlangen Schal und riesiger Pudelmütze um die Ecke kam? „Gudrun?“
„Meine Kinder haben mir die Geschenke schon letzte Woche gegeben, weil mir so kalt war“, erklärte die fast unkenntlich vermummte Frau mit Gudruns unverkennbarer Stimme. „Ich dachte, ich könnte die Sachen mal ausprobieren. Mensch, ist das warm heute!“
So wurden aus einem nicht vollständigen Doublettespiel an diesem Tag dann doch vier Teams. Die Sonne ließ die Kugeln blitzen, das weiße Cochonnet strahlte auf dem dunklen Basaltplatz.
Als es dunkel und etwas kälter wurde, freute sich Gudrun endlich über die Wärme ihrer Jacke. Guido dachte weiterhin mehr an Julia als daran, ans Schweinchen zu legen. Bernd war sich mit sich selbst einig darüber, dass Boulespielen mit Freunden weitaus besser war, als nachts über einen dunklen Campingplatz zur Toilette zu stolpern. Elke schoss so gut wie immer.
Karl holte nach den Spielen eine Packung Lebkuchen aus seiner Tasche. Alle mümmelten glücklich an dem Gebäck. Das war so trocken, dass es bereits im Juli gekauft sein musste. Niemand musste es aussprechen: Es war schön, hier zu sein.
„Frohe Weihnachten“, meinte Karl, als er seine Kugeln einpackte. „Und guten Rutsch!“, rief Gudrun. Sie zog ihre Mütze ein wenig tiefer und wickelte den langen Schal noch enger um den Hals. „Es soll vielleicht Schnee geben. Spielen wir zwischen den Jahren?“
Der Pétanque-Club Boulodrome Brachttal wünscht allen friedliche Festtage.